FREUNDLICHKEIT ____
GEGEN ENDE SEINES LEBENS sagte Aldous Huxley, dass der beste Rat, den er nach 45 Jahren Forschung und Studium geben kann, ist, ein bisschen freundlicher zu sein ist.
Das englische Wort für freundlich ist “kind”. Es stammt von “kin”, auf Deutsch Verwandtschaft – die aus derselben Familie oder Stamm, die, denen wir nahestehen, die genauso sind wie wir.
Tief in uns sind wir alle gleich. Wir wollen uns alle wohlfühlen, mit Respekt behandelt werden, uns umsorgt und wertgeschätzt fühlen. Niemand von uns möchte sich kritisiert, abgelehnt, gedemütigt, ignoriert oder manipuliert fühlen. Um es auf den Punkt zu bringen, möchten wir uns alle geliebt fühlen. Ich meine damit nicht lieben im romantischen Sinne oder das Ausschütten von Emotionen, sondern einfach wohlwollender Umgang. Dies ist die universelle Grundlage für jede menschliche Beziehung. Wir wollen uns alle gut aufgehoben fühlen. Wir wollen freundlich behandelt werden.
Wenn jeder von uns mit Freundlichkeit behandelt werden möchte, dann sollte es auch
unsere Absicht sein diese Freundlichkeit anderen zu geben. Aber oft tun wir das genaue
Gegenteil. Anstatt zu versuchen, sicherzustellen, dass sich die andere Person gut aufgehoben und geschätzt fühlt, können wir in einen Teufelskreis von Beschuldigungen und Angriffen geraten.
Es fängt gewöhnlich damit an, sich wegen etwas, was ein anderer gesagt oder getan hat,
verletzt zu fühlen. Ob sie uns mit Absicht verletzt haben oder ob es nur in unserer Vorstel-
lung ist, ist ganz egal. Wir fühlen uns verletzt und das ist Fakt. Dann, wenn wir uns nicht
vollkommen über unsere inneren Prozesse bewusst sind, verteidigen wir uns von Natur
aus selbst, indem wir andere irgendwie ebenfalls angreifen. Es ist nicht die edelste oder klügste Antwort, dennoch neigen wir weniger als erleuchteten Leute dazu, so zu reagieren.
Es kann eine schneidende Bemerkung oder Kritik sein, ein ärgerlicher Tonfall, eine Ver-
änderung der Körpersprache oder einfach ein längeres Schweigen. Wie es auch immer
aussehen mag, die zugrundeliegende Absicht ist, dass die andere Person sich nur ein
wenig verletzt fühlt - nicht viel, nicht genug, um die Beziehung zu stören, aber ausreichend, dass die andere Person sich nicht total geliebt fühlt. Aber wenn die andere Person ebenfalls weniger als erleuchtet ist, wird ihre Reaktion auf einen wahrgenommenen Angriff wahrscheinlich unserer ähnlich sein.
Sie werden dazu neigen, zurückzuschlagen, etwas zu tun oder zu sagen, um uns das Gefühl zu geben, ein wenig verletzt und nicht total geliebt zu sein.
Bald bildet sich ein Teufelskreis. Es mag nicht immer so offensichtlich sein. Von außen
sieht es oft so aus, als ob die Beziehung gut läuft. Beide Menschen wirken freundlich
ohne eine Art von Feindseligkeit. Aber darunter wird ein trauriges Spiel ausgespielt.
Jede Person, die versucht, dass sich die andere Person liebevoller verhält, hält die
Liebe tatsächlich zurück. Sie sagen offen zueinander: "Du respektierst mich nicht, des-
halb werde ich zu dir unfreundlich sein, damit du den Fehler deiner Wege erkennst und
mich besser behandelst."
Es ist ein Verlierer-Verlierer Spiel. Kein Wunder also, dass viele Beziehungen - persönli-
che, soziale oder berufliche – sich selbst auf steinigem Untergrund wiederfinden.
Der Teufelskreis kann gebrochen werden, wenn begonnen wird zu erkennen, dass nicht nur wir, sondern auch die anderen geliebt werden und sich wohlfühlen wollen.
Unsere Absicht wird dann folgendermaßen sein: Wie kann ich so reden, dass die andere
Person sich nicht angegriffen oder abgelehnt fühlt, sondern respektiert und geliebt?
Wir können anfangen, indem wir wachsam gegen angreifende Einstellungen werden.
Das Herausfiltern unserer unedlen Gedanken kann einen Großteil des Problems an der Quelle beseitigen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir nicht die Wahrheit aussprechen sollen. Stattdessen,
erforschen Sie, wie Sie es bewerkstelligen können, dass die andere Person sich ge-
schätzt anstatt attackiert fühlt. Wenn Sie etwas Schwieriges zu sagen haben, dann leiten
Sie es mit dem Grund ein, weshalb Sie es gerne sagen möchten, damit die Person weiß, dass es von einer fürsorglichen und
nicht von einer angreifenden Einstellung kommt. Sie könnten zum Beispiel hiermit an-
fangen: “Ich wertschätze unsere Beziehung und will sie wachsen sehen, aber damit das passiert muss ich ein Thema diskutieren,
welches für mich schwierig ist.” Dies setzt einen vollkommen anderen Ton voraus als es
einfach herauszusagen.
Es könnte auch helfen die eigenen Ängste auszudrücken - sie sind nämlich auch Teil der
Wahrheit. Wenn Sie Ihre Angst davor offenbaren, abgelehnt zu werden oder missverstanden zu werden, können Sie anderen da-
bei helfen, Ihre Bedenken zu würdigen und sie zu beruhigen. Dies ist auch das Ziel dieser
Übung.
Und wenn diese Übung nachlässt und sich der Angriffsmodus wieder einschleicht, gibt
es nichts Schöneres als eine echte Entschuldigung, um die Dinge wieder in die Spur zu
bringen. Nehmen Sie die Fehler auf sich selbst (wir sind schließlich alle Menschen), versuchen Sie sich selbst wieder mit einer fürsorglicheren Haltung auszudrücken.
Diese Übung für die Freundlichkeit ist essenziell Die Goldene Regel, die im Herzen der Welt von spirituellen Traditionen gefunden wird. In der Bibel heißt es: „Alles nun, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen zuvor.“
Ähnlich auch im Koran: “Niemand von euch ist ein Gläubiger, bis er für seinen Bruder das wünscht, was er für sich selbst wünscht."
Wenn wir das jedem weitergeben würden, den wir trafen oder zu dem wir sprachen, wäre die Welt ein sehr anderer Ort.